Kamener Originale | KIG e.V.

90 Jahre HVV (1913 – 2003)

Rede von Hans-Jürgen Kistner auf der Mitgliederversammlung 2003

Meine Damen und Herren, wir haben heute ein rundes, wenn auch kein großes Jubiläum zu feiern: der HVV wird fast auf den Tag genau 90 Jahre alt. Am 21. Juli 1913 wurde der „Verkehrsverein Kamen“ (VVK) im Hotel „König v. Preußen“ gegründet. Ursprünglich sollte er „Verkehrs- und Verschönerungsverein Kamen“ heißen. Drei Wochen zuvor hatte Dr. Kurt Wiesner sein Amt als frisch gewählter Bürgermeister (der erste in Kamen mit Universitätsausbildung) angetreten. 

Kamen war zu dieser Zeit eine durch den Bergbau dominierte Stadt. Die Einwohnerzahl hatte sich innerhalb kürzester Zeit verdreifacht. Die Infrastruktur der Stadt Kamen konnte nicht so schnell mit wachsen. Die Vertreter der Zeche Monopol beherrschten den Magistrat u. die Stadtverordnetenversammlung. Sie verhinderten erfolgreich, dass sich andere bedeutende Industriezweige in Kamen ansiedeln konnten. Dies u.a. damit, dass man die Einführung des elektr. Licht- u. Kraftstromes immer weiter auf die lange Bank schob. Außerdem wurde so mehr Gas von der Gasanstalt abgenommen. Die Kohle für die Gaserzeugung lieferte Monopol. So waren es denn auch infrastrukturelle Verbesserungen, die der Verkehrsverein Kamen angehen wollte. Oberstes Ziel war die Verbesserung der Verkehrsverbindungen innerhalb und nach Kamen. So forderte man je eine Straßenbahnlinie nach Methler und nach Heeren-Werve. Aber auch die Einführung des elektr. Stromes und die Regulierung der Seseke, um eine Kanalisation anzulegen. 

Heeren-Werve hatte übrigens schon seit 1912 Strom! Lassen Sie mich einige bemerkenswerte Punkte aus der Satzung von 1913 vortragen: § 2 (Zweck u. Mittel). Der Verein verfolgt den Zweck, durch freiwillige Teilnahme an öff. Angelegenheiten u. Mitarbeit am gemeinsamen Ganzen den Orts-, Reise-, Fremden-, Geschäfts- und Geistesverkehr Kamens zu wahren und zu fördern. Er trachtet, dieses Ziel zu erreichen 

1. durch Anbahnung u. Beförderung gemeinnütziger Bestrebungen, welche den inneren u. äußeren Verkehr Kamens ordnen, bestehende Verkehrseinrichtungen bessern u. entstehende Verkehrsfragen lösen helfen: 

2. durch sachliche Vermittlung zwischen Behörden u. Bewohnern, Einheimischen u. Fremden, Stadt u. Land, zur Regelung eines friedlichen Verkehrs u. wirtschaftlichen Ausgleichs; 

3. durch Anregung u. Unterstützung alles dessen, was zur natürlichen Verschönerung Kamens u. seiner Umgebung dient, die Kunstpflege wach hält u. anspornt und Einheimischen wie Fremden gesellige Unterhaltung u. Belehrung schafft. § 3. Der Verein richtet seine Aufmerksamkeit insbes. auf die Anwendung folgender Mittel: 

1. Auskunftsstelle des Vereins für Hiesige u. Auswärtige. 

2. Bekanntmachung Kamens durch Anzeige in den führenden Blättern der Industrie, Führer u. Beschreibungen. 

3. Sorge für schnellen u. bequemen Verkehr nach, von u. in Kamen. 

4. Auskunftserteilung über Gasthaus-, Wohnungs-, Geschäfts-, Verkehrs-, Unterrichts- und Lebensverhältnisse in Kamen.

5. Förderung des Fremdenbesuchs und Zuzugs, Unterstützung der Fremden mit Rat u. Tat, Verkehr Fremder u. Einheimischer, Schlichtung von Streitigkeiten zwischen beiden. 

6. Veranstaltung von allg. Verkehrsvorträgen, Fürsorge zur Hebung u. Schaffung von Bildungsstätten u. Spielplätzen für alt u. jung. 

7. Anregung zur Aufbesserung u. Anlage von Bürgersteigen, Spazierwegen, Aussichtspunkten, Aufstellung von Wegweisern u. Ruhebänken. 

8. Ausgabe der Ansichten, Pläne, Führer, Reisebücher usw. von Sommerfrischen, Kurorten, Seebädern, Kunststätten u.a.m.


Zu den jährl. Mitgliedsbeiträgen, die mind. 3,- Mark pro Mitgl. belaufen sollten, gibt die Satzung den Hinweis „Freiwill. höhere Beiträge u. außerordentliche Zuwendungen sind dringend erwünscht.“ So viel zur Gründungssatzung. Noch im Juli hatte der Verein bereits 157 Mitglieder, im Dezember 1913 schon ca. 250; bei damals knapp 11.000 Einwohnern Kamens. Der VVK bemühte sich schon seit seiner Gründung um verkehrstechnische Fragen. Neben den geforderten Straßenbahnlinien in die heutigen Stadtteile, wollte man den schienengleichen Bahnübergang an der Unnaer Str. („Glückauf-Schranke“) durch eine Unterführung aufheben. 

Auch der Bahnhof sollte näher an die Innenstadt gelegt werden. Die geplante heutige Verkehrsführung über die Poststraße geht auf diesen Gedanken letztendlich zurück. Da sich die Straßenbahnlinien nicht realisieren ließen, richteten Stadt und VVK im Dez. 1913 eine Kraftomnibuslinie nach Heeren-W. ein. Sie wurde aber bald wegen mangelnder Rentabilität wieder eingestellt. Die erste Geschäftsstelle wurde kurz nach der Gründung im Hause des Fotografen (u. Stadtarchivars) Ernst Braß (heute Holzer) an der Bahnhofstr. eingerichtet. Der Erste Weltkrieg brachte die Aktivitäten des Verkehrsvereins fast ganz zum Erliegen. 

1919 begann er wieder aktiv zu werden. Neben der Forderung nach einer Stromversorgung der Stadt, stand insbesondere die Behebung der Wohnungsnot auf dem Programm. Darüber hinaus rief der Verkehrsverein schon zur Gründung eines Heimatmuseums auf. Zu diesem Zweck war 1919 ein Museumsausschuß und 1923 ein Heimatverein als Unterabteilung des VVK gebildet worden. Der Strom kam dann im Dezember 1920 und das Museum 1928, also genau vor 75 Jahren (ein weiteres Jubiläum). Es ist mit Unterbrechungen das heutige städt. Museum im Haus der Stadtgeschichte, das auf die Bestände der 20er Jahre aufbaute. 

Während der NS-Zeit und des Zweiten Weltkrieges ruhten die Aktivitäten des VVK’s. Er hatte sich wohl nicht ganz gleichschalten lassen. Auch in der Wiederaufbauphase und der Wirtschaftswunderjahre blieb der VVK im Hintergrund. Am 17.10.1956 kam es zur Wiederbelebung. Zugleich ging der Gewerbeverein Kamen im VVK auf. Am 20.3.1957 wurde der VVK in „Heimat- u. Verkehrsverein Kamen“ umbenannt und griff damit den Heimatgedanken der 20er Jahre wieder auf. Seit 1960 ist die Stadt Kamen wieder Mitglied im HVV. Als eigenständiger Verein im HVV bildete sich 1977 KIG, die Interessengemeinschaft Kamener Gewerbetreibender. 


 Es sollen hier kurz die Aktivitäten des HVV seit 1956 nach ihrer ersten Nennung aufgelistet werden: 

  • 1956 Weihnachtswerbung mit Lichterketten 
  • 1957 Erster Schnadegang um die Grenzen der Stadt
  • 1958 heimatkundliche Abende 
  • 1961 Aufstellen eines Stadtplanes am Bahnhof 
  • 1963 zum 50jähr. Jubiläum Herbstfest 
  • 1968 Kamen wandert, Autoschau und Kamener Taler 
  • 1969 Modeschau und Kamener Woche 
  • 1970 Gebrauchtwagenschau 
  • 1971 Silvesterball in der Konzertaula 
  • 1974 Auto- und Fahrradschau, K-Männchentaler 
  • 1975 Anschaffung einer mobilen Jugend-Verkehrsschule 
  • 1977 Frühlingsfest, Trödelmarkt, Europäische Musiktage, Einrichtung der Geschäftsstelle im Alten Rathaus, 1. Wandteller, Sommerfest 
  • 1978 Autoschau unter der Hochstraße 
  • 1982 Ostermal-Aktion, Künstler- u. Trödelmarkt, Weihnachtsmarkt 
  • 1984 „Urbs Camene“ in der Konzertaula 
  • 1985 Altstadtfest (Urbs Camene war Test) 
  • 1987 Handglocken statt der Wandteller 
  • 1988 75 Jahre HVV-Ausstellung in der Sparkasse 
  • Die jüngeren Aktivitäten setze ich als bekannt voraus.


Mit freundlicher Genehmigung von Hans-Jürgen Kistner, Stadtarchiv Kamen